Die Asseler Linde
Eine verklungene Sage
Diese Sage knüpft an eine Linde an, die an der Keisstraße Lichtenau-Asseln steht, unmittelbar da, wo der Weg nach Hakenberg abzweigt (Grüne Feld), und im Volksmunde kurz die "Asseler Linde" genannt wird. Bei der Linde steht ein altes, wuchtiges Steinkreuz ohne Korpus mit der Jahreszahl 1830 und der Inschrift:
I. N. R. I.
O CRUX AVE. SPES VNICA
WER MIT
JESU WILL
IN FREV-
DEN, DER
MVS . HIER AVF ERDEN
LEIDEN
Die Sage lautet:
Ein Mann, der öfter den Weg nach Lichtenau ging, hatte die Gewohnheit, wenn er an der Asseler Linde vorbeikam, ein "Vater unser" für die armen Seelen zu beten. Eines Tages ging er nun wieder nach Lichtenau. Es war bereits dunkel. Wieder kam er an der Linde vorbei und betete sein "Vater unser". Als er fertig war, hörte er wie eine Stimme rief: "Noch einmal!" Er betete noch ein "Vater unser". Dieses wiederholte sich wohl zwanzigmal. Nun dachte der Mann: "Es ist dunkel, es will mich wohl einer für dumm halten." Er sagte: "Ich bete keines mehr!" Da hörte er auf einmal wie die Stimme weinte und sagte: "Ach hättest du dieses eine "Vater unser" noch gebetet, dann wäre ich erlöst gewesen. Jetzt aber muß ich leiden bis zu dem Tage, da aus dieser Linde eine Wiege gemacht sein wird, und nur das Kind, das zuerst in dieser Wiege groß wird, kann mich erlösen." Da mußte der Mann bitterlich weinen, und er sprach: "So will ich denn jetzt das "Vater unser" beten, damit du erlöst wirst." Die arme Seele aber sprach: "Das geht nicht!"
Der Mann aber hat sich furchtbar darüber aufgeregt und ist nach wenigen Jahren gestorben.
Es scheint sich bei dieser Sage nicht so sehr um eine Lokalsage im engeren Sinne zu handeln, sondern vielmehr um eine Wandersage, da sie ihrem Inhalte nach mit unwesentlichen Unterschieden sich auch an anderen Orten findet.
Heinrich Rüthing (+)